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Trinitätslehre - nicht philosophische Spekulation, sondern Antwort auf Gottes Selbstmitteilung

Quellangabe: Einführung in das Christentum [1968]. Mit einem neuen einleitenden Essay, München 6. Auflage 2005, 152 f.


Die Trinitätslehre ist nicht aus einer Spekulation über Gott entstanden, aus einem Versuch des philosophischen Denkens, sich zurechtzulegen, wie der Ursprung allen Seins beschaffen sei, sondern sie hat sich aus dem Mühen um eine Verarbeitung geschichtlicher Erfahrungen ergeben. Der biblische Glaube hatte es zunächst – im Alten Bund – mit Gott zu tun, der als der Vater Israels, als der Vater der Völker, als der Schöpfer der Welt und ihr Herr begegnete. In der Grundlegungszeit des Neuen Testaments kommt ein völlig unerwarteter Vorgang hinzu, durch den sich Gott von einer bislang unbekannten Seite zeigt: In Jesus Christus trifft man auf einen Menschen, der sich zugleich als Sohn Gottes weiß und bekennt. Man findet Gott in der Gestalt des Gesandten, der ganz Gott und nicht irgendein Mittelwesen ist und der dennoch mit uns zu Gott „Vater“ sagt. Damit ergibt sich eine eigentümliche Paradoxie: Einerseits nennt dieser Mensch Gott seinen Vater, spricht zu ihm als einem Du, das ihm gegenübersteht; wenn das nicht leeres Theater sein soll, sondern Wahrheit, wie sie allein Gottes würdig ist, muss er also ein anderer sein als dieser Vater, zu dem er spricht und zu dem wir sprechen. Andererseits aber ist er selbst die wirkliche, uns begegnende Nähe Gottes; die Vermittlung Gottes an uns und dies gerade dadurch, dass er selbst Gott als Mensch, in Menschengestalt und –wesen: der Gott-mit-uns („Emmanuel“) ist. Seine Vermittlung würde ja im Grunde sich selbst aufheben und statt einer Vermittlung eine Abtrennung werden, wenn er ein anderer als Gott, wenn er ein Zwischenwesen wäre. Dann würde er uns nicht zu Gott hin, sondern von ihm weg vermitteln. So ergibt sich, dass er als der Vermittelnde Gott selber und „Mensch selber“ – beides gleich wirklich und total – ist. Das aber bedeutet, dass Gott mir hier nicht als Vater, sondern als Sohn und als mein Bruder begegnet, womit – unbegreiflich und höchst begreiflich in einem – eine Zweiheit in Gott, Gott als Ich und Du in einem, in Erscheinung tritt. Dieser neuen Erfahrung Gottes folgt schließlich als drittes das Widerfahrnis des Geistes, der Anwesenheit Gottes in uns, in unserer Innerlichkeit. Und wiederum ergibt sich, dass dieser „Geist“ weder mit dem Vater noch mit dem Sohn einfach identisch ist und doch auch nicht ein Drittes zwischen Gott und uns aufrichtet, sondern die Weise ist, wie Gott selbst sich uns gibt, wie er in uns eintritt, so dass er im Menschen und mitten im „Insein“ doch unendlich über ihm ist.





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