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Dogma als Regula fidei

Quellangabe: Das Problem der Dogmengeschichte in der Sicht der katholischen Theologie, Köln / Opladen 1966, 20.


Der geschichtsfeindliche Gedanke ungeschriebener apostolischer Einzelüberlieferungen [ist] zunächst wesentlich in der Gnosis zu Hause, also in einer von der Geschichte des Glaubens als heterodox ausgeschiedenen Entfaltungsform des Christlichen, auch wenn er verhältnismäßig früh ins kirchliche Denken einzudringen begann […]. Die primäre Form eines innerkirchlichen Überlieferungsbegriffes ist wesentlich anders strukturiert: Sie beruht auf der Zweiteilung der Schrift in Altes und Neues Testament, derart, dass das Neue als christologische Auslegung des Alten erscheint, als ,,Tradition“, die der ,,Schrift“ ihren Sinn gibt.

An dieser Stelle liegt auch der Ansatzpunkt für den ursprünglichen Begriff des Dogmas, wie er in der Alten Kirche und im Wesentlichen noch das ganze Mittelalter hindurch verstanden wurde und daher als eigentlicher Gegenstand der Dogmengeschichte betrachtet werden müsste. Nach der Ausbildung des neutestamentlichen Schriftkanons, der die bisher als Tradition betrachteten neutestamentlichen Schriften zur ,,Schrift“ vereinigte, ergab sich zwangsläufig eine gewisse Überschneidung im Überlieferungsbegriff, der freilich die bisherige Linie konsequent fortsetzt, wenn nun gesagt wird, die ,,Schrift“ (Altes und Neues Testament) sei ,,nach dem Glauben“ auszulegen. Unter dem ,,Glauben“ wird dabei das Taufbekenntnis (d. h. das zum trinitarischen Symbol erweiterte christologische Bekenntnis) bzw. die mit ihm verbundene regula fidei verstanden. Sie gilt als der eigentliche Kanon der Kirche, der den Kanon für den ,,Kanon“ bildet. Dieser Kanonbegriff, die Vorstellung also, Schrift sei nach dem Glauben auszulegen, stellt die altchristliche Form des Dogmenbegriffs dar. Dogma wird dabei nicht als Lehrsatz begriffen, sondern besteht in dem die Schrift erschließenden und auslegenden Glauben der Kirche.





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