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Entsakralisierung – vom Neuen Testament gefordert?

Quellangabe: Zur Frage der Verehrung und Sakralität der Eucharistie, in: JRSG 11, 473–479, hier 477 f.


Wir waren in den letzten […] Jahren viel eher vom Gedanken der „Entsakralisierung“ bestimmt gewesen. Wir waren getroffen von dem Wort des Hebräerbriefes: Christus hat außerhalb der Mauern gelitten (13,12). Dies wiederum klang zusammen mit dem anderen Wort, dass beim Tod des Herrn der Vorhang des Tempels zerriss. Nun ist der Tempel leer. Das Sacrum, die heilige Gegenwart Gottes, birgt sich nicht mehr in ihm; es ist draußen, vor der Stadt. Der Kult ist aus dem heiligen Gehäuse heraus verlegt in das Leben, Leiden und Sterben Jesu Christi. Er hatte seine wahre Gegenwart zuvor schon in seinem Leben. Mit dem Zerreißen der Tempelvorhänge, so hatten wir uns gedacht, ist die Grenze zwischen sakral und profan zerrissen. Der Kult ist nicht mehr etwas Abgetrenntes vom täglichen Leben, sondern das Heilige wohnt in der Alltäglichkeit. Das Heilige ist nicht mehr ein besonderer Bereich, sondern es will überall sein, gerade in der Weltlichkeit will es sich verwirklichen. Daraus sind dann sehr praktische Folgerungen gezogen worden, bis in die priesterliche Kleidung hinein, bis in die Form des christlichen Kults und des Kirchenbaues. Überall sollte sich diese Schleifung der Bastionen vollziehen, nirgends mehr Leben und Kult voneinander unterscheidbar sein.

Aber damit war die Botschaft des Neuen Testamentes von einem richtigen Ausgangsgedanken her zuletzt doch wesentlich missverstanden. Denn Gott zieht sich nicht von der Welt zurück, um sie ihrer Weltlichkeit zu überlassen, und ebenso wenig bestätigt er einfach die Welt in ihrer Weltlichkeit, als ob sie als solche auch schon heilig wäre. Solange die Welt nicht vollendet ist, solange bleibt in ihr der Unterschied des Heiligen und Profanen, denn Gott entzieht ihr die Gegenwart seiner Heiligkeit nicht, aber seine Heiligkeit hat auch noch nicht das Ganze erfasst. Die Passion Jesu Christi außerhalb der Stadtmauern und das Zerreißen der Tempelvorhänge bedeutet nicht, dass nun überall Tempel sei oder nirgends mehr. Das wird erst im neuen Jerusalem der Fall sein. Diese Vorgänge bedeuten vielmehr, dass mit dem Tod Jesu Christi die Mauer zwischen Israel und der Völkerwelt aufgebrochen ist. Sie bedeuten, dass Gottes Verheißung aus dem engen Rahmen des Alten Bundes und seines Tempels heraustritt in die Weite der Völkerwelt hinein. Sie bedeuten, dass an Stelle der nur zeichenhaften Heiligkeit der Bilder des Alten Testaments das wirkliche Sacrum, der heilige Herr in seiner menschgewordenen Liebe getreten ist. Sie bedeuten endlich, dass nun überall dort das heilige Zelt Gottes, die Wolke seiner Nähe steht, wo das Geheimnis seines Leibes und Blutes gefeiert wird, wo Menschen aus ihren eigenen Werken heraustreten in die Gemeinschaft mit ihm hinein. Das heißt, dass hier die Sakralität dichter und machtvoller, weil wahrer ist als zuvor im Alten Bund; es heißt auch, dass sie verletzlicher geworden ist und von uns noch größere Achtsamkeit und Ehrfurcht verlangt: nicht nur rituelle Reinigung, sondern die umfassende Bereitung des Herzens.





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