„Auch Gott wartet, wartet auf den Menschen“ |
Predigt anlässlich des Gottesdienstes am 16. Juli 1978 in der Klosterkirche Fürstenfeld (S. 13-14)
[...]. Knapp hundert Jahre später rückt Fürstenfeld noch einmal ins Blickfeld der bayerischen Geschichte: Kaiser Ludwig der Bayer erlitt hier auf der Bärenjagd einen Herzschlag. Er sinkt sterbend vom Pferd in die Hände eines Bauern und spricht noch die Worte: „Süße Königin, unsere Frau, sei bei meinem Hinscheiden.“
Auch dieser Mann war auf mannigfache Weise in Schuld verstrickt, er stand vor neuen Kriegen, er war gebannt durch den Papst. Aber das Wort, das er sterbend gesprochen hat, zeigt, wie sehr er mit der ganzen Tiefe seiner Seele im Glauben der Kirche verwurzelt war. Und er, dem die irdische Kirche verschlossen stand, gibt sich hinein in die Hände der Heiligen Kirche, die für ihn in der Mutter des Herrn Gestalt hat und Person ist.
„Unsere Frau, süße Königin, sei bei mir“ – dieses Wort voller Demut und voller Vertrauen, voller Ehrfurcht und voller Herzlichkeit klingt eng zusammen mit der Frömmigkeit der Zisterzienser, mit der neuen Innerlichkeit und der neuen persönlichen Herzlichkeit, die vor allen Dingen Bernhard von Clairvaux ihr gegeben hatte, dem damals das „Salve Regina“ zugeschrieben wurde, mit dem ja das letzte Wort des Kaisers sich ganz nahe berührt.
Für ihn und für uns alle ist Maria, der er sich anvertraut hat, der Ausdruck für die Heilsgewissheit der Kirche. In ihr ist die Kirche schon angelangt in den rettenden Händen des Herrn und wir brauchen gleichsam uns nur an ihr einzuhalten, den Saum ihres Mantels zu berühren, um mit in der aufsteigenden Bewegung, in der rettenden Güte des Herrn zu stehen. So ist das Bild Mariae Himmelfahrt auf dem Hochaltar dieser Kirche gleichsam die Zusammenfassung der Geschichte dieses Baues, es legt ihn aus; dieser Bau wiederum legt die Lesung aus dem Römerbrief aus, die wir heute gehört haben; die ganze Geschichte, die hinter ihm steht, klingt in der Römerbrief-Lesung zusammen. Denn da ist die Rede von der Knechtschaft der Vergänglichkeit, von der Knechtschaft der Sünde, unter der wir stehen und zugleich von dem Seufzen der Kreatur und von ihrem hoffenden Aufschauen auf die Freiheit der Söhne Gottes, auf die Erlösung der ganzen Kreatur. In diesem Bild wird sichtbar: einmal das Hinaufschauen und Hinaufrühren der seufzenden Kreatur, aber auch ihre Gewissheit, dass Gott ihr Warten sieht und es annimmt. Auf dem Hochaltar von Fürstenfeld kommt aber noch ein Zweites hinzu: Darüber ist der Dreifaltige Gott und Er wartet Maria entgegen. Nicht nur die Schöpfung wartet, auch Gott wartet, wartet auf den Menschen.
Damit legt diese zweite Hälfte des Hochaltares das heutige Evangelium aus und das Ganze lässt uns den Zweiklang von Lesung und Evangelium verstehen. Die Schöpfung seufzt, aber auch Gott wartet unser. Gott ist nicht wie ein orientalischer Despot, der nur einfach in der Gewalt seiner Allmacht tut, was ihm gefällt. So stellten ja die Menschen des Orients ihre Gottkönige dar; wenn sie von deren Kriegen berichteten, kamen gar keine Schlachten vor, sondern sie wurden wie Spaziergänge geschildert, weil nur der Mächtige allein überhaupt Wirklichkeit ist und handelt. So dachten sie sich Gott als den ganz allein seine Macht Vollziehenden, neben dem kein eigener Wille und kein eigenes Tun bestehen kann. Der Gott, den uns Jesus Christus schildert und den uns diese Kirche auslegt, ist anders. Er handelt nicht wie ein Despot, sondern wie ein Liebender. Er legt seinen Samen in diese Erde hinein mit ihren Hoffnungen und Gefährdungen und er lässt ihn Frucht tragen und wartet der Frucht. Dies gefällt uns zunächst, weil wir unsere Freiheit wünschen, und weil uns daher ein Gott entspricht, der Freiheit sucht und Freiheit gibt. Aber wenn wir unser Gewissen tiefer erforschen, müssen wir sagen, dass wir in Wirklichkeit doch immerfort in der Rebellion stehen gegen diesen geduldigen, gegen diesen wartenden, gegenüber diesem freiheitsliebenden Gott. Denn wir begehren ja auf dagegen, dass diese Welt trotz Erlösung so unerlöst ist. Wir schleudern es Gott ins Gesicht, dass er zulässt, wenn in seiner Schöpfung sein Wort verkümmert und die Macht des Bösen wuchert, als wäre sie allein die Herrscherin dieser Welt. Und weil es uns nicht gefällt, hören wir auf, mit ihm zu rechnen, und suchen nach eigenen Strategien, in denen wir das Heil der Welt in die Hand nehmen und es bauen wollen, nachdem Gott scheinbar nichts zu bauen vermag. [...].
ISBN 978-3-7954-3196-9 24,95 €
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